Paganini in chiesa

Three Interpretations of the Bach Chaconne

Johann Sebastian Bach (1685 -1750) Ciaconna BWV 1004
Phantasma I. 14:46
Phantasma II. 15:11
Phantasma III. 15:19

Adagio und Fuge (Komm heiliger Geist, Herre Gott) BWV 1005

Vidor Nagy – Viola
HERA 02002

The first thing which strikes one about Vidor Nagy is his humility. Every inch of his body seems to be directed into creating the divine in music, completely devoid of ego.

A simple Hungarian village church seems the perfect place to record this video. Vidor Nagy is completely alone, devoid of any audience but the film crew – one feels he is offering his music directly to God and to us. The solitude of the human condition and the paradox of Bach’s music, creating the divine and unearthly out of something so physical, four strings and a bow, is almost exacerbated by the use of the viola. It is bigger than the the violin, one’s fingers are required to contort into more awkward positions, more physical effort is required.

What would Bach have made of his violin music being performed on the viola? According to his son Carl Phillip Emanuel he ‘liked best to play the viola’. It is perfectly conceivable that J S Bach may himself have tried these works out on his viola. Indeed Bach often transferred material from one instrument to another. The increased difficulty of playing on the viola already incredibly technically challenging music may have prevented him from publishing a version for this instrument.

Vidor Nagy’s interpretations are immensely enjoyable, his warm mellow sound adding more depth to the bass than a violin could.

The three renditions of the chaconne explore different emphases on melody and harmony; perfect material to teach the importance of considering both when tackling Bach’s solo works. One only needs to look to the gospels to see how interpretations of God vary viewed through human eyes- only impressions of the original can be created.

Playing just the most monumental movements of Bach’s sonatas and partitas does seem to be taking some liberties? Iit is interesting to view the Chaconne as an arch leading to the C major fugue ( on viola now in F major), highlighting the through nature of Bach’s sonatas and partitas, which were conceived not as individual works but as an entire entity.

However what of the rest? The grand opening of the G minor sonata to the joyous E major partita. Nagy has left us with just one installment of a whole journey, considering his version ‘a triple arched entrance to the palace of the most magnificent fugue ever composed for string instruments’.

Paganini in chiesa
12 der 24 Capricen für Violine solo für die Viola

After such a feat, Paganini on the viola sounds like lunacy; Nagy pulls it off, although occasional patches do sound rough around the edges.

Paganini’s world seems a million miles away from Bach’s; music to make a hero of the virtuoso.
However, are they so dissimilar? Both explore the boundaries of their instrument, and both composers also played viola. Indeed Paganini most have also been a viola virtuoso as he considered Berlioz’s Harold in Italy to be easy.

Paganini’s Caprices are often dismissed as being shallow, however, as the Wihans have proved in their quartet version, there is surprising depth underneath their sparkling facades. Remarkably Nagy, rather than highlighting the virtuosity of playing the Caprices on the viola, he brings out the true music, albeit in a more serious manner to the Wihans.

A must for all viola connoisseurs; not only can one hear Nagy play works attempted by only the bravest of violists, one can also watch how he does it.

Anna Michel


Drei Interpretationen der Bach-Chaconne

Das erste, das einem bei Vidor Nagy auffällt, ist seine Demut. Sein ganzes Wesen scheint völlig selbstlos darauf hin gerichtet zu sein, das Göttliche in der Musik zu erschaffen. Eine einfache ungarische Dorfkirche scheint der perfekte Ort zu sein, um dieses Video aufzunehmen. Vidor Nagy ist vollkommen allein, ohne jegliches Publikum außer dem Aufnahmeteam. Man hat das Gefühl, dass er seine Musik direkt Gott darbringt – und uns. Die Einsamkeit der condition humana und das Paradoxon von Bachs Musik –  das Göttliche und Unirdische aus etwas so Körperlichem wie vier Saiten und einem Bogen zu erschaffen, wird beinahe noch mehr überhöht dadurch, dass hier die Viola zum Einsatz kommt. Sie ist größer als die Geige, die Finger müssen sich in unangenehmere Stellungen verrenken, und es bedarf einer größeren körperlichen Anstrengung.

Was würde Bach wohl davon gehalten haben, wenn man seine Musik auf der Viola spielt? Sein Sohn Carl Philipp Emanuel meinte, „er liebte es am meisten, Viola zu spielen“. Es ist durchaus denkbar, dass Bach diese Werke auf seiner Viola ausprobiert hat. Tatsächlich hat Bach seine Musik öfter von einem Instrument auf ein anderes übertragen. Da es ohnehin schwieriger ist, auf der Viola zu spielen, dürfte er davon abgesehen haben, seine unglaublich schwierige und technisch anspruchsvolle Musik in einer Fassung für dieses Instrument einzurichten.

Vidor Nagys Interpretationen sind ein immenser Genuss: sein warmer, weicher Ton verleiht den tiefen Stellen der Stücke stärkeres Profil, als dies eine Violine vermag. Die drei Darbietungen der Chaconne setzen unterschiedliche Schwerpunkte hinsichtlich der Melodik und der Harmonik; dies ist ein perfektes Anschauungsmaterial, um die Bedeutung von beidem zu demonstrieren, wenn man Bachs Solowerke in Angriff nimmt. Man muss sich nur die Evangelien anschauen, um zu sehen, wie unterschiedlich das Bild Gottes wirkt, wenn es aus verschiedenen menschlichen Blickwinkeln betrachtet wird – es entstehen jeweils ganz verschiedene Eindrücke des Originals.

Heißt es wirklich, sich einige Freiheiten herauszunehmen, wenn man nur die Monumentalsätze aus Bachs Sonaten und Partiten spielt? Es ist interessant, die Chaconne als ein Verbindungsglied zur C-Dur-Fuge (auf der Viola in F-Dur) wahrzunehmen, wobei die durchgängige Natur von Bachs Sonaten und Partiten hervorgehoben wird, die nicht als einzelne Werke, sondern als Gesamtheit konzipiert sind. Was ist dann aber mit dem Rest? Die großartige Öffnung der g-moll-Sonate zur freudigen E-Dur-Partita. Nagy hat uns vorerst nur einen Abschnitt aus seiner  gesamten Reise überlassen; dabei betrachtet er seine Version als „einen Eingang mit drei Rundbögen zum Palast der großartigsten Fuge, die je für Saiteninstrumente geschrieben wurde“.

Paganini in chiesa

Nach einem solchen Festmahl mutet Paganini auf der Viola irrsinnig an; Nagy macht jedoch das Unmögliche möglich, auch wenn manches gelegentlich etwas rau daherkommt. Paganinis Musik scheint Millionen von Meilen von der Musik Bachs entfernt zu sein; Musik, die den Virtuosen zum Helden macht.

Aber sind sie wirklich so verschieden? Beide loten die Grenzen ihres Instrumentes aus, und beide Komponisten spielten auch Viola. Paganini muss sogar ein virtuoser Bratschist gewesen sein, denn er fand Berlioz´ „Harold in Italien“ einfach.

Paganinis Capricen werden oft als oberflächlich abgetan, doch verbirgt sich eine erstaunliche Tiefe hinter ihrer glitzernden Fassade, wie die Wihans in ihrer Quartettversion bewiesen haben. Es ist bemerkenswert, das Nagy den tieferen Gehalt der Musik herausarbeitet und nicht so sehr den Schwerpunkt auf die Virtuosität des Spiels auf der Viola bei den Capricen legt, auch wenn er das auf ernstere Art tut als die Wihans.

Ein Muss für alle Kenner und Liebhaber: man kann nicht nur hören, wie einer der mutigsten Bratschisten diese Werke angeht – man kann ihm auch dabei zuschauen.