Gedanken zur CD “Fantasia”
Eine stringente Konzertdramaturgie beinhaltet wie im Theater viele Facetten und soll die seelischen Schätze aufdecken, welche in den aufzuführenden Werken schlummern. Wie ein surrealistisches Spiegelbild erwacht das Haiku, das traditionelle Genre der altjapanischen Poesie, zu neuem Leben, und dies ist der beste Beweis, wie verschiedene und gegensätzliche Elemente in Verbindung treten und eine neue Qualität generieren.
Oder bildlich übersetzt: Wie in Fellinis vielfältigen Charakteren die Fantasie pulsiert, so wahrhaft uferlos fließt auch die Musik in höchster Intensität dahin. Auch Walt Disneys Fantasia ist ein Beispiel für das kaleidoskopische Nebeneinander in der Kunst, und in Tarkowskijs Film Die Straßenwalze und die Geige sind es ausschließlich die Kontraste, die das Geschehen beleben.
Ich denke, dass das Chamäleon einer Komponistenseele nur in vielfachen Feuern seine wirkliche Bedeutung enthüllt. Deshalb ist die vorliegende Aufnahme das Ergebnis einer Serie mehrfach wiederholter Konzerte. Trotz einer streng festgelegten Werkfolge können sich solche Ausflüge durch die Schmelztiegel des Seelischen so gestalten, dass die Reise überraschend einmalig wird und dennoch fast unabsichtlich eine endlose Welt von Andeutungen in sich birgt: Die Funken der Glut stieben nach oben wie ein feuriges Ross, das die entfesselte Fantasia symbolisiert. Im „Schwanendreher” blüht der Gesang eines Seelendrehers empor:
Wahrheit und ewig leuchtende Ideale suchend,
Innerlichkeit statt Pomp instrumentierend,
Frage ich und warte auf Antworten.
Ist das die Sucht nach dem Schönen?
Wie stark die Sehnsucht nach Schönheit sein kann, bringt ein Gedicht Michelangelos zu klingendem Ausdruck:
Ich würde glauben, wärst du auch von Stein,
Es würde meiner Lieb und Treu gelingen,
Und du gingst willenlos mir hinterdrein.
Vidor Nagy
Myths of the Soul in Music
As in theater, tight-knit concert dramaturgy also contains many facets and ideally serves the revelation of Spiritual treasures which slumber in the work. Like a surrealistic mirror-image, the Haiku , the original genre of ancient Japanese poetry, is called to new life, testifying to the emergence of fresh new qualities engendered by the marriage of contrasting elements. Or, in visual terms: as do the diverse characters themselves pulsate in Fellini’s fantasy, likewise unconfined the music also flows. Walt Disney’s Fantasia is another example of kaleidoscopic juxtaposition in the arts, as is the Tarkovsky film “The Steamroller and the Violin” where, once again, it is alone the contrast which delineates the vitality of the action.
It seems to me that the chameleon-like soul of a composer is ultimately revealed by a developmental process akin to multiple kiln-firings. It is in the context of such a process that this recording emerged, the product of a series of repeated concerts. Despite a strict order of appearance of the various works, such excursions through the melting pot of the spirit can result in a surprisingly unique experience, unintentionally unfolding an endless world of nuance from within; the sparks of passion burst forth like the fiery stallion symbolized by the liberated Fantasia.
Vidor Nagy